Ethnografisches Interview

Innerhalb der qualitativen Marktforschung findet sich auch das ethnografische Interview als Methode zur Informationsgewinnung. Ethnografie bedeutet so viel wie „Völkerbeschreibung“, zusammengesetzt aus den altgriechischen Bezeichnungen „éthnos” (fremdes Volk) und „graphé” (Schrift). Ein ethnografisches Interview hilft dabei, Einblicke in die Lebenswelt und den Alltag von Testpersonen, deren Kultur und deren davon abhängigen Wertvorstellungen zu gewinnen. Die Marktforschung berücksichtigt dabei die Beobachtung von Testpersonen, Verbrauchern oder Konsumenten in ihrem alltäglichen natürlichen Umfeld (zu Hause, im Fahrzeug, auf der Straße, im Supermarkt) und stellt überdies Fragen zu deren persönlichen Gewohnheiten und Bedürfnissen.

Ethnografische Feldstudien

Der Erkenntnisprozess bei ethnografischen Feldstudien beruht auf einer Verknüpfung einer teilnehmenden Beobachtung und einem erkundenden Gespräch. Ethnografische und ethnomethodologische Feldstudien setzen die natürliche Alltagskommunikation der Forschenden mit den Untersuchungssubjekten voraus. Diese Methode der Feldstudie ist bekannt durch die Ethnologie oder Völkerkunde. Deren zentrales Anliegen ist es, das Leben fremder Gruppierungen aus deren eigener Sichtweise zu verstehen. Die Forscher sollen nicht nur distanziert beobachten, sondern auch sinnverstehend nachvollziehen, wie die Untersuchungssubjekte ihren Alltag führen, organisieren und bewerkstelligen. Das ethnografische Interview beruht auf einem losen Leitfaden für die Fragen und erlaubt Forschern, sich von den Antworten der Testpersonen überraschen zu lassen.

Kennzeichen des ethnografischen Interviews

Ein ethnografisches Interview ist nur teilweise strukturiert und weist folgende Kennzeichen auf:

  • Voraussetzung für eine ethnografische Feldstudie ist die Annahme, dass es sich bei den Testpersonen um Mitglieder einer eigenen gesellschaftliche Teilkultur handelt, die sich in der Sprache, Wertvorstellungen oder anderen Aspekten von anderen Teilkulturen unterscheidet.
  • Das Interview basiert auf der Methode des aktiven Zuhörens mit Ermutigungen zum Erzählen. Es gibt keinen festgelegten strikten Fragebogen.
  • Die Testperson dominiert das Gespräch mit den Antworten, ähnlich dem narrativen Interview.
  • Das Interview sucht nach den Aussagen und Tatsachen aus dem individuellen Alltag, nicht nach deren statistischer Validität.
  • Es geht um das Verständnis des Individuums und dessen Wissen im Kontext der Gemeinschaft oder der Kultur.

Zweck eines ethnografischen Interviews

Ethnografische Interviews ermöglichen es, die Einstellungen und Alltagsroutinen von Testpersonen zu erfassen. Wichtig ist auch die zusätzliche Beobachtung, da Testpersonen oft nicht bewusst, handeln und somit vieles in einem reinen Gespräch auch nicht verbalisieren. Diese Methode hilft der Marktforschung, wichtige Erkenntnisse über das Konsumentenverhalten, den allgemeinen Nutzungsgewohnheiten von Produkten oder das Ausmaß von Markenloyalität zu gewinnen. Zusätzlich lassen sich Vergleiche über kulturellen Unterschiede bei Konsumentenschichten erstellen. Durch derartige Erkenntnisse lassen sich Produktkonzeption oder Marketingstrategien besser auf die Bedürfnisse der Zielgruppe ausrichten.